Sonntagsarbeit im Handel – Gefahr für Wiens Lebensqualität?

Von: Redaktion

Der Kampf um den freien Sonntag – Eine Stadt im Zwiespalt

Wien, die Stadt der Kunst, Kultur und Geschichte, steht vor einer entscheidenden Frage: Soll der Handel seine Türen auch am Sonntag öffnen? Während der Wiener Wirtschaftskammer-Präsident Walter Ruck die Hauptstadt als lebenswerte Weltstadt lobt, fordert er gleichzeitig eine Sonntagsöffnung im Handel. Doch die Gewerkschaft GPA schlägt Alarm und spricht von einem Widerspruch in sich. Am 23. August 2025 veröffentlichte der Österreichische Gewerkschaftsbund eine Pressemitteilung, die das klare Nein zur Sonntagsarbeit betont. Doch was steckt hinter diesen Forderungen und was bedeutet das für die über 100.000 Handelsangestellten in Wien?

Ein Rückblick auf die Geschichte der Sonntagsruhe

Historisch gesehen war der Sonntag immer ein Tag der Ruhe und Besinnlichkeit. Ursprünglich als religiöser Ruhetag etabliert, wurde er über die Jahre zum Symbol für Erholung und Familienzeit. In vielen europäischen Ländern, darunter Österreich, ist die Sonntagsruhe gesetzlich verankert. Doch mit der zunehmenden Liberalisierung der Arbeitszeiten und dem Druck der globalisierten Wirtschaft gerät dieser Ruhetag immer mehr unter Beschuss.

Bereits in den 1980er Jahren begannen Diskussionen über die Lockerung der Ladenöffnungszeiten. Während einige Länder, wie die USA, schon früh auf eine vollständige Liberalisierung setzten, hielten andere, wie Deutschland und Österreich, an der traditionellen Sonntagsruhe fest. Doch die Debatte um die Sonntagsöffnung im Handel flammt immer wieder auf, vor allem in wirtschaftlich angespannten Zeiten.

Die Position der Gewerkschaft GPA

Mario Ferrari, Bundesgeschäftsführer und Leiter der Kollektivvertragsarbeit der Gewerkschaft GPA, stellt klar: „Wenn Wien die lebenswerteste Stadt bleiben soll, sollte man vielleicht bei den über 100.000 Handelsangestellten, die von derartigen Vorschlägen betroffen wären, ansetzen, und nicht bei den Wünschen von Tourist:innen.“ Eine Umfrage der Gewerkschaft zeigt, dass 95 Prozent der Handelsangestellten Sonntagsarbeit ablehnen. Diese überwältigende Mehrheit spricht eine deutliche Sprache.

Die Gewerkschaft argumentiert, dass die Freiwilligkeit der Sonntagsarbeit für die Beschäftigten eine Illusion sei. In der Realität müssten viele Angestellte einspringen, was die Planbarkeit ihres Lebens erheblich einschränkt. „Für viele ist der Sonntag der einzige verlässlich freie Tag für Familie und Freunde, und damit entscheidend für Lebensqualität und soziale Teilhabe“, betont Ferrari.

Vergleich mit anderen Bundesländern und Ländern

Ein Blick über die Grenzen Wiens hinaus zeigt, dass die Diskussion um die Sonntagsarbeit kein rein lokales Phänomen ist. In Deutschland etwa sind die Regelungen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Während in Bayern die Sonntagsruhe strikt eingehalten wird, gibt es in Berlin mehr Flexibilität. Auch in der Schweiz wird die Sonntagsarbeit heiß diskutiert, wobei sich viele Kantone gegen eine Aufweichung der Regelungen aussprechen.

In den skandinavischen Ländern hingegen, die oft als Vorreiter in Fragen der Work-Life-Balance gelten, ist die Sonntagsarbeit im Handel weitgehend unüblich. Dies zeigt, dass es durchaus Alternativen zu einer vollständigen Liberalisierung gibt, die sowohl wirtschaftlichen als auch sozialen Bedürfnissen gerecht werden können.

Die konkreten Auswirkungen auf die Bürger

Für die Bürger Wiens hätte eine Sonntagsöffnung im Handel weitreichende Konsequenzen. Während einige Verbraucher die Möglichkeit schätzen könnten, auch am Sonntag einkaufen zu können, bedeutet dies für die Handelsangestellten eine zusätzliche Belastung. Bereits jetzt klagen viele über körperliche und seelische Belastung. Der Personalmangel würde sich durch Sonntagsarbeit weiter verschärfen, was den Beruf des Handelsangestellten unattraktiver macht.

Besonders betroffen wären Frauen, die rund siebzig Prozent der Handelsangestellten ausmachen. Die Vereinbarkeit von Job und Betreuung ist schon jetzt für viele ein Problem. Fehlende Betreuungsangebote am Sonntag verschärfen das noch einmal massiv. Dies zeigt einmal mehr, wie wenig der aktuelle Vorstoß mit der Lebensrealität der Beschäftigten zu tun hat.

Wirtschaftliche Überlegungen und der Nutzen der Sonntagsöffnung

Auch aus wirtschaftlicher Sicht ist der Nutzen der Sonntagsöffnung fraglich. Laut Mario Ferrari profitieren von einer Sonntagsöffnung vor allem große Ketten. Für kleinere Betriebe bedeutet sie hingegen höhere Kosten, ohne dass fixe Mehreinnahmen garantiert wären. Dies könnte zu einer weiteren Konzentration im Einzelhandel führen, bei der große Unternehmen dominieren und kleine, unabhängige Geschäfte zunehmend ins Hintertreffen geraten.

Expertenmeinungen und Zukunftsausblick

Ein fiktiver Wirtschaftsexperte, Dr. Johann Muster, äußert sich zu den möglichen Folgen: „Die Einführung der Sonntagsarbeit könnte kurzfristig zu einer Belebung des Konsums führen. Langfristig jedoch besteht die Gefahr, dass die sozialen Kosten die wirtschaftlichen Vorteile überwiegen. Die Lebensqualität der Beschäftigten und ihre Zufriedenheit sind entscheidende Faktoren für eine nachhaltige Wirtschaft.“

Die Zukunft der Sonntagsarbeit in Wien bleibt ungewiss. Während die Gewerkschaft GPA weiterhin für die Beibehaltung der Sonntagsruhe kämpft, wird der Druck von Seiten der Wirtschaft nicht nachlassen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die politische Landschaft in dieser Frage positioniert und welche Kompromisse möglicherweise gefunden werden.

Fazit: Eine Stadt zwischen Tradition und Moderne

Die Diskussion um die Sonntagsarbeit im Handel in Wien ist ein Paradebeispiel für den Zwiespalt zwischen Tradition und Moderne. Während die Wirtschaft nach Flexibilität und Wachstum strebt, pochen viele auf die Bewahrung bewährter Traditionen und sozialer Errungenschaften. Die kommenden Monate werden zeigen, ob und wie Wien diesen Balanceakt meistern kann.

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